Freitag, 16. November 2012

Der Hafen ist voll - Scheisse

Nicht nur volle Strassen, auch ein voller Hafen, Cartagena.


Also heute musste ich mich einfach, zwar zugegeben nicht ganz wirklich freiwillig aber eigentlich eben doch, mit der Wirtschaftslage von meinem gegenwärtigen Gastgeber, Kolumbien auseinandersetzen. 

Da musste doch die MV Toronto schon eine unfreundliche Begegnung mit der windigen Sandy vermeiden und einige Tage im Atlantik ausharren, bevor der Kahn dann Baltimore an der US Ostküste anlaufen konnte. Lange noch bevor der blue truck von dem 299 Meter langen Frachter in Veracruz verschlungen wurde. Resultierte daraus eine Verspätung von vier Tagen, hatte mich das noch nur mässig berührt, ich blieb einfach ein paar Tage länger im gastfreundlichen Mexico. 

Jetzt aber pass auf. Jetzt bin ich hier in der atemberaubenden Kolonialstadt Cartagena, hier wo die Toronto am 18. November einläuft. Und das wird auch wirklich passieren, nur der Hafen von Cartagena, der, der ist so beschäftigt, dass die Toronto nicht im Hafen Platz findet. Zur Zeit hat die Hafen Polizei dem Schiff einen Termin für den 21. November um 6:00 Uhr früh gegeben um in den Hafen zu schippern. Und das, das hat mich dann doch stutzig gemacht. 

Ein Land, das wir in Europa oder den USA vor allem noch aus den News der 80er und 90er Jahre kennen, sofort poppen bei uns im Kopf Schlagworte wie Medellín oder Calí Kartell hoch wenn wir Kolumbien hören. Drogenbanden, wahre Drogenkriege. Mord und Totschlag. Pablo Escobar, möglicherweise der mächtigste Drogenhändler den es je gab und vielleicht der reichste Mann der Welt, am 2. Dezember 1993 von einer US-Kolumbianischen Elite Einheit erschossen, an seiner Beerdigung sollen über 20'000 Menschen präsent gewesen sein. Na gut, ein anderer mächtiger aus der selben Ära, Johannes Paul II soll es 2005 auf über 3 Millionen Abschiedsgäste gebracht haben. Ist ja alles relativ. Der übrigens, aber wen erstaunt's, der war auch schon hier in Cartagena, der Johannes Paul II. Der musste sicher nicht auf die Ankunft seines Papa-Mobils warten. 

Nun komm sei ehrlich, das sind doch Dinge mit denen Du Kolumbien assoziierst: Drogen, Escobar also nicht Papa. Entspann Dich, ich doch auch! Und jetzt, jetzt bin ich hier in diesem Land, bin nun schon, bester Hoffnung den blue truck bald wieder zu haben, drei Tage in der prächtigen Stadt rumspaziert. Und jetzt, jetzt sagt mir heute Luis und seine Frau, meine ganz tollen lokalen Fracht-Agenten, ein ganz kleines Familien-Business, die sich eigentlich nur so reizend um die Touris und ihre Autos kümmern weil es ihnen so viel Freude bereitet all die Menschen aus den fremden Ländern kennen zu lernen, dass eben das Schiff nicht einlaufen kann weil der Hafen "too busy" ist. 

Und genau, das hat mich dann dazu bewogen einen Ausflug im World Wide Web zu machen. Was ist denn hier los in Kolumbien? Wieso ist denn hier mitten in einer vermeintlich weltweiten Banken- und Wirtschaftskrise so viel los, dass es im Hafen für "meine" Toronto nicht mal Platz gibt. Und tatsächlich, da ist ganz doll was los. Da ist doch in Kolumbien die Arbeitslosenrate seit Anfang Jahr von 12.5% auf 9.9% im Oktober gesunken (wie auch immer das ermittelt wird, in einem Land das gar keine Arbeistlosenkasse kennt). Ein durchschnittliches Zinsniveau von dem wir in der westlichen Witschaftswelt nicht einmal mehr im feuchtesten Traum zu fantasieren wagen von über 4.5% (Stand Oktober 2012). Eine Aussenverschuldung mit der in den USA der Obama wohl nicht nur zum Präsidenten sondern zum König auf Lebzeiten gewählt worden wär. Da fragt man sich natürlich wie das geht, dass hier in Kolumbien die Wirtschaft so brummt.

Ein Teil ist sicher, dass die Hauptexport-Güter Öl und Steinkohle sind. Und auch wenn die Abhängigkeit vom US Markt in den vergangenen Monaten gesunken ist, trotzdem sicher mit ein Grund für den Wachstum in Kolumbien, so sind doch die USA nicht nur der Welt grösster Kokain Abnehmer sondern haben auch noch eine wesentlich verlässlichere Sucht, Erdöl. Gesamthaft scheint mir aber, dass hier der Motor für den Wachstum zu einem stattlichen Teil organisch ist, so jedenfalls interpretiere ich die Zahlen, Arbeitslosigkeit geht runter, Konsumentenpreise rauf, Saläre und Beschäftigung in der Industrie steigen, Zinsen auf hohem Niveau, die Zahl neuregistrierter Fahrzeuge steigt, viele dieser Dinge weisen darauf hin, dass sich das Land selbst ganz ordentlich entwickelt.

Also eine erfreuliche Sache, wie ich das alles nun in grösseren Zusammenhängen ansehe, da freue ich mich schon fast, dass ich noch ein paar Tage länger auf mein Haus und Heim warten muss. Schon jetzt wünsche ich Kolumbien auch weiterhin einen positiven Aufwärtstrend mit der Entwicklung seiner Wirtschaft.

Dir liebe Bloglesrin und treuer Blogleser wünsche ich ein schönes Wochenende.

Mit wartenden Grüssen aus Cartagena,
Thomas (ohne blue truck)


Der wird schon kommen, der blue truck, der ist sich ja 
das Schifffahren gewöhnt. 


Source für Daten & Zahlen in diesen blog post: tradingeconmics.com, CIA Factbook, Wikipedia

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